Zwei Bergtouren nach Gijón
Tag 18: 32 km, ca. 1.200 Höhenmeter, über Peón
Hier ist sie: Die Etappe, von der ich schon zwei Tage Muffensausen habe. Nach Gijón, sprich „Chichon“, sind es nicht nur 32 Kilometer. Es sind auch viele Höhenmeter.
Gleich in der ersten Morgendämmerung brechen wir auf. Es hat nur etwa 10 Grad und ist feucht, nebelig. Dafür optimal zum Gehen. Gleich hinter Villaviciosa geht es steil bergauf. Soll ich mich vor dem Nieselregen schützen oder ist es besser ohne Regenjacke? Unter dem Gehen ziehe ich meine Regenjacke aus, den Rucksack habe ich vor mir in der Hand. Im T-Shirt ist es nun wesentlich angenehmer zu wandern. Ich spüre den kühlen Nebel, der meine Arme benetzt. Noch geht es bergauf. Aber ebenso überraschend wird es jetzt flacher.
Mitten im leichten Nieselregen kommen wir durch einen dichten Eukalyptuswald. In der Feuchtigkeit verströmt er seinen Duft. Bei Sichtweiten um die 50 Meter komme ich mir vor wie in einem römischen Dampfbad. Auf dem asphaltierten Sträßchen fallen mir immer wieder die vielen schillernden Ölflecken auf. Sie stammen aber nicht von einer defekten Ölwanne, sondern aus den Eukalyptus-Samen, die ihr ätherisches Öl verströmen. Während Villaviciosa noch fast auf dem Meeresspiegel liegt, sind wir oben auf etwa 400 Höhenmetern. In Peón sind wir dann wieder auf 80 Metern.
Die einzige Verpflegungsmöglichkeit soll laut französischem Reiseführer in dem Dörfchen Peón sein, welches im Nebel unter uns auftaucht. Ich spüre bergab nun meine Knie und freue mich auf eine Pause.
Doch vor der Bar stehen wir beide vor verschlossenen Türen. Der Vorgarten ist noch verwüstet von den sintflutartigen Regenfällen der Vortage. Zwischen zwei Plastikstühlen ist ein tiefer Graben unterspült.
Beide essen wir einen Apfel und beginnen zu frieren. Also gehen wir weiter. Es geht gleich wieder steil auf 280 Höhenmeter hinauf.
Die kühlen Temperaturen sind zum Laufen ideal. Bergauf markiert uns wieder ein gelber Pfeil den Weg. Darunter stehen die Buchstaben:
„CS“ für Camino de Santiago.
Das erste Mal fällt mir auf, dass CS auch meine Initialen sind, es ist also mein eigener Weg!
Hin und wieder wird es bergauf etwas abenteuerlich, da oft ganze Wegstücke weggespült sind. Dann geht es durch Gestrüpp und Brennnesseln, bis wir wieder auf den Weg kommen.
Am Gipfel „Nummer zwei“ – in Curbiello können wir dann weit weg Gijón im Dunst sehen. Und genau hier ist eine kleine Bar. Auf die fette und eklige Salami hätte ich verzichten sollen. Denn bei den ersten Schritten bergab rebelliert nun mein Magen. Die Übelkeit raubt mir komplett alle Kräfte. Nach quälenden zwei Kilometern habe ich wohl den Punkt für die Entscheidung erreicht. Soll ich das Essen „zurückholen“? Soll ich danach für die Hygiene meine Wasservorräte opfern.
Meine Reflexe nehmen mir zumindest die erste Entscheidung dann recht schnell ab. Danach breche ich schlagartig völlig entkräftet zusammen. Noch etwa zehn Kilometer sind es nach Gijón. Doch an Laufen ist irgendwie nicht mehr zu denken. Erneut muss ich mich übergeben und ich werde den Geschmack der ekelhaften Salami nicht mehr los. Jean-Louis hat nach einem Kilometer auf mich gewartet. Er meint, ich sei kreidebleich.
Im Schneckentempo geht es durch die ersten Vororte von Gijón. Und meine Übelkeit wird sogar noch schlimmer.
Bis zur Universität am Rande von Gijón schaffe ich es gerade noch. War es die Salami, oder hat es mich ernsthaft erwischt? Ich kann nicht mehr und muss mich immer wieder übergeben, obwohl mein Magen schon längst entleert ist.
Jean-Louis hält einen Bus an, der uns nun die eineinhalb Kilometer in das Zentrum befördert. Die wären zu Fuß heute definitiv nicht mehr gegangen. Natürlich stellt sich mir die Frage, ob ich hier in der Stadt als Pilger für fünf Minuten den Bus benutzen darf. Bisher habe ich alles mit eigenen Füßen erlaufen. Doch ich habe es bis Gijón geschafft und nun geht es nicht anders. Ab in die Herberge, ab in das Bett!
Nachdem wir auch hier fast die einzigen Pilger sind, haben Jean-Louis und ich ein Zimmer allein. Er geht noch einkaufen, während ich mich mit der Toilette anfreunden muss. Diese befindet sich nicht im Zimmer, sondern im Flur. Und so hört mich wohl auch die Herbergsmutter.
Schließlich kommt sie mit einem selbstgemachten Kräuterschnaps, nach dem es mich kräftig schüttelt. Sie lacht und meint, ich solle mich jetzt ein wenig hinlegen. Tatsächlich hat die Herbergsmutter recht gehabt.
Wunderbare Menschen
Überhaupt ist die Herbergsmutter eine Seele von Mensch. Sie vermietet, unterstützt von der Stadt für Pilger und nebenbei auch für andere Gäste. Während ich im Bett liege, kommt sie vorbeischauen, ob es mir schon besser geht. Und tatsächlich hat ihr Hausrezept meinen Magen wieder aufgeräumt. Gott sei Dank!
Behutsam nimmt sie all meine Sachen, samt Rucksack mit zum Waschen. Kostenlos!
Von Gijón sehe ich heute nicht mehr sehr viel. Ich kaufe mir am Abend noch ein neues T-Shirt und werfe das alte T-Shirt gleich in die Mülltonne. Ein paar Straßenzüge wage ich mich noch in die Hafengegend und notiere in mein Tagebuch: Hier wäre es schön!
Am nächsten Morgen ging es mir nicht nur viel besser. Ich hatte endlich wieder einen wohlriechenden Rucksack auf meinen Schultern.
Aufbruch im Dunklen
Pilgern nach GIJON, Aufbruch im Dunklen
Pilger mit schwerem Gepäck
18 VILLAVICIOSA – GIJON (Camino de la Costa)
Bar Casa Pepio, Cocina Asturiana
18 VILLAVICIOSA – GIJON (Camino de la Costa)
CS Wegweiser
Erschwerlicher Aufstieg
Umgestürzte Eykalytusbäume
Anstrengender Jakobsweg
Beschwerlich bergauf
Regenfälle haben den Weg beschädigt
Rucksack absetzen
Ein Kaffee für Pilger
Zeig mal deine Füße
Textauszug BURNOUT: Eine Wanderung auf schamlem Grat. Jakobsweg an der Kste Der Jakobsweg nach Gijón
Zwei Bergtouren nach Gijón
Tag 18: 32 km, ca. 1.200 Höhenmeter, über Peón
Hier ist sie: Die Etappe, von der ich schon zwei Tage Muffensausen habe. Nach Gijón, sprich „Chichon“, sind es nicht nur 32 Kilometer. Es sind auch viele Höhenmeter.
Gleich in der ersten Morgendämmerung brechen wir auf. Es hat nur etwa 10 Grad und ist feucht, nebelig. Dafür optimal zum Gehen. Gleich hinter Villaviciosa geht es steil bergauf. Soll ich mich vor dem Nieselregen schützen oder ist es besser ohne Regenjacke? Unter dem Gehen ziehe ich meine Regenjacke aus, den Rucksack habe ich vor mir in der Hand. Im T-Shirt ist es nun wesentlich angenehmer zu wandern. Ich spüre den kühlen Nebel, der meine Arme benetzt. Noch geht es bergauf. Aber ebenso überraschend wird es jetzt flacher.
Mitten im leichten Nieselregen kommen wir durch einen dichten Eukalyptuswald. In der Feuchtigkeit verströmt er seinen Duft. Bei Sichtweiten um die 50 Meter komme ich mir vor wie in einem römischen Dampfbad. Auf dem asphaltierten Sträßchen fallen mir immer wieder die vielen schillernden Ölflecken auf. Sie stammen aber nicht von einer defekten Ölwanne, sondern aus den Eukalyptus-Samen, die ihr ätherisches Öl verströmen. Während Villaviciosa noch fast auf dem Meeresspiegel liegt, sind wir oben auf etwa 400 Höhenmetern. In Peón sind wir dann wieder auf 80 Metern.
Die einzige Verpflegungsmöglichkeit soll laut französischem Reiseführer in dem Dörfchen Peón sein, welches im Nebel unter uns auftaucht. Ich spüre bergab nun meine Knie und freue mich auf eine Pause.
Doch vor der Bar stehen wir beide vor verschlossenen Türen. Der Vorgarten ist noch verwüstet von den sintflutartigen Regenfällen der Vortage. Zwischen zwei Plastikstühlen ist ein tiefer Graben unterspült.
Beide essen wir einen Apfel und beginnen zu frieren. Also gehen wir weiter. Es geht gleich wieder steil auf 280 Höhenmeter hinauf.
Die kühlen Temperaturen sind zum Laufen ideal. Bergauf markiert uns wieder ein gelber Pfeil den Weg. Darunter stehen die Buchstaben:
„CS“ für Camino de Santiago.
Das erste Mal fällt mir auf, dass CS auch meine Initialen sind, es ist also mein eigener Weg!
Hin und wieder wird es bergauf etwas abenteuerlich, da oft ganze Wegstücke weggespült sind. Dann geht es durch Gestrüpp und Brennnesseln, bis wir wieder auf den Weg kommen.
Am Gipfel „Nummer zwei“ – in Curbiello können wir dann weit weg Gijón im Dunst sehen. Und genau hier ist eine kleine Bar. Auf die fette und eklige Salami hätte ich verzichten sollen. Denn bei den ersten Schritten bergab rebelliert nun mein Magen. Die Übelkeit raubt mir komplett alle Kräfte. Nach quälenden zwei Kilometern habe ich wohl den Punkt für die Entscheidung erreicht. Soll ich das Essen „zurückholen“? Soll ich danach für die Hygiene meine Wasservorräte opfern.
Meine Reflexe nehmen mir zumindest die erste Entscheidung dann recht schnell ab. Danach breche ich schlagartig völlig entkräftet zusammen. Noch etwa zehn Kilometer sind es nach Gijón. Doch an Laufen ist irgendwie nicht mehr zu denken. Erneut muss ich mich übergeben und ich werde den Geschmack der ekelhaften Salami nicht mehr los. Jean-Louis hat nach einem Kilometer auf mich gewartet. Er meint, ich sei kreidebleich.
Im Schneckentempo geht es durch die ersten Vororte von Gijón. Und meine Übelkeit wird sogar noch schlimmer.
Bis zur Universität am Rande von Gijón schaffe ich es gerade noch. War es die Salami, oder hat es mich ernsthaft erwischt? Ich kann nicht mehr und muss mich immer wieder übergeben, obwohl mein Magen schon längst entleert ist.
Jean-Louis hält einen Bus an, der uns nun die eineinhalb Kilometer in das Zentrum befördert. Die wären zu Fuß heute definitiv nicht mehr gegangen. Natürlich stellt sich mir die Frage, ob ich hier in der Stadt als Pilger für fünf Minuten den Bus benutzen darf. Bisher habe ich alles mit eigenen Füßen erlaufen. Doch ich habe es bis Gijón geschafft und nun geht es nicht anders. Ab in die Herberge, ab in das Bett!
Nachdem wir auch hier fast die einzigen Pilger sind, haben Jean-Louis und ich ein Zimmer allein. Er geht noch einkaufen, während ich mich mit der Toilette anfreunden muss. Diese befindet sich nicht im Zimmer, sondern im Flur. Und so hört mich wohl auch die Herbergsmutter.
Schließlich kommt sie mit einem selbstgemachten Kräuterschnaps, nach dem es mich kräftig schüttelt. Sie lacht und meint, ich solle mich jetzt ein wenig hinlegen. Tatsächlich hat die Herbergsmutter recht gehabt.
Wunderbare Menschen
Überhaupt ist die Herbergsmutter eine Seele von Mensch. Sie vermietet, unterstützt von der Stadt für Pilger und nebenbei auch für andere Gäste. Während ich im Bett liege, kommt sie vorbeischauen, ob es mir schon besser geht. Und tatsächlich hat ihr Hausrezept meinen Magen wieder aufgeräumt. Gott sei Dank!
Behutsam nimmt sie all meine Sachen, samt Rucksack mit zum Waschen. Kostenlos!
Von Gijón sehe ich heute nicht mehr sehr viel. Ich kaufe mir am Abend noch ein neues T-Shirt und werfe das alte T-Shirt gleich in die Mülltonne. Ein paar Straßenzüge wage ich mich noch in die Hafengegend und notiere in mein Tagebuch: Hier wäre es schön!
Am nächsten Morgen ging es mir nicht nur viel besser. Ich hatte endlich wieder einen wohlriechenden Rucksack auf meinen Schultern.
Camino de la Costa/ Jakobsweg an der Kste H1 Inhaltsverzeichnis
Der Jakobsweg nach Gijón
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Inhalt H2 zum Camino de la Costa/ Jakobsweg an der Küste, Küstenweg
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Jakobsweg an der Küste, Burnout, Inhaltsverzeichnis H3
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1313Inhalt aus dem Buch BURNOUT: Eine Reise auf schmalem Grat , Jakobsweg an der Kueste und additive Fotos hier auf der Jakobsweg-Webseite (Fotos im Buch nicht enthalten)
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Fotos zum Camino de la Costa/ Jakobsweg an der Kueste Beitrag
Keywords zu diesem Jakobsweg-Beitrag:
Camino de la Costa, Camino del Norte