Etappe 2: SAN SEBASTIÁN – ZUMAIA Camino de la Costa

San Sebastián – Zumaia

San Sebastián – Zumaia

Tag 2: 31 km, ca. 1.150 Höhenmeter, über Orio, Zarautz, Getaria.

Gleich nach einem Schluck Pulverkaffee, den mir eine junge Pilgerin aus Chile spendiert, breche ich im Morgengrauen auf. Die Betonung liegt nicht auf „Morgen“, sondern auf „Grauen“. Es regnet leicht und stürmt kräftig. Alles ist grau in grau. Würde man einen depressiven Menschen hier ganz allein aussetzen, dann wäre das gar nicht gut. Gleich auf den ersten Metern hänge ich mich an Ingrid. Sie scheint alles schon zu kennen und läuft zielgenau vor mir her. Und mein Eindruck täuscht mich nicht.

Ingrid ist sage und schreibe 69 Jahre alt und bereits seit Eibelstadt/ Würzburg zu Fuß hierher unterwegs! Wahnsinn. Über 2.000 Kilometer zu Fuß in guten zwei Monaten. Für mich einfach unvorstellbar. Ihre fröhlichen und leuchtenden Augen verraten ihr Alter definitiv nicht. Sie könnte ganz locker 10 Jahre jünger sein. Ingrid ist relativ groß, drahtig und hat halblange grau-blonde Haare. Ihr Pilgerstock überragt sie ein wenig. Ich schätze ihn so auf meine eigene Größe, ca. 184.

Wie ein Uhrwerk

Ingrid geht so gleichmäßig wie ein Uhrwerk. Ich spüre, dass sie ein unerschütterlicher Glaube begleitet. Dieses Gefühl ist unbeschreiblich, denn so viel weiß ich noch gar nicht über sie.

Bergab und geradeaus kann ich ihr ohne Mühe folgen. Aber bergauf hat sie immer das gleiche, für mich unmenschliche Tempo drauf.

Allem Überfluss zum Trotz scheinen Ingrid die Etappen bergauf sogar besonders leicht zu fallen. Sie fängt immer bergauf an, ohne jede Atempause mit mir zu plaudern. Außer einem atemlosen und äußerst knappen „ja, aha, ach“, bin ich nicht mehr im Stande, an einem Gespräch aktiv teil zu nehmen. Dafür sitzt die Pumpe, die meinen Puls antreibt scheinbar irgendwo zwischen den Ohren und meiner Stirn.

Dummerweise geht mir genau jetzt am steilsten Stück das linke Schuhband auf. Dieses habe ich doch extra mit einem Zigfach-Knoten gebunden. Beim Bücken sehe ich dann wie gestern Sternchen vor meinen Augen. Blutdruck lass nach! Beim hastigen Trinken aus meiner Plastikflasche verschlucke ich mich schon wieder so heftig, dass ich hustend und rot angelaufen vermutlich wie ein Notfallpatient aussehe.

Das verschafft mir wenigstens eine kurze Verschnaufpause, die Ingrid mir aus Mitleid gönnt. Sie ist ja im Berufsleben Krankenschwester gewesen.

Fortan höre ich zur Strafe eine schaurige Krankengeschichte nach der anderen (natürlich anonym). Und keiner dieser Leidenswege geht wirklich gut aus. Tod und Elend mischt sich in meiner Fantasie zu einer grauenvollen Mischung aus Hilflosigkeit, Ablehnung und Abscheu. Das ist doch mal wieder etwas Handfestes für meine „Regenwolke“! So nenne ich ab nun mein pessimistisches Hirnareal, welches mir meine halbe Vergangenheit versaut hat.

Aha, immerhin ist das eine wertvolle Erkenntnis, die mir da gerade gekommen ist.

Meine „Regenwolke“

Toll. Hier kann meine „Regenwolke“ wieder aktiv werden. Sich austoben. Das ihr Metier. Abrupt meldet sich auch schon mein Schmerzempfinden. Sicher ist sie, die „Regenwolke“, daran schuld. Natürlich beginne ich sofort wieder, in meinen Körper hinein zu horchen, was alles natürlich nur viel schlimmer macht.

Und es sind nicht die Schierlinge, die mich heute in mich hineinhorchen lassen! Es ist die Geschichte eines Pilgers, der hier mit einem Herzinfarkt zusammen gebrochen ist. Nein, so etwas passiert mir nicht.

Doch plötzlich geht es mir tatsächlich schlecht. Ist mit meinem Herzen noch alles o.k.? Schlägt es noch? Was für eine unsinnige Frage. Würde mein Herz nicht mehr schlagen, könnte ich mir diese Frage im Augenblick ja gar nicht mehr stellen. Trotzdem wandert meine rechte Hand zum linken Brustkorb und überprüft den Herzschlag. Wie verrückt. So etwas hatte ich schon einmal vor langer Zeit. Und es hat mich dann auch sehr lange begleitet.

Doch heute möchte ich mir darüber keine Gedanken machen. Ich zwinge mich dazu, meine Ängste loszulassen und Ingrid zu folgen. Und es tut gut, zu wissen, dass sie Krankenschwester war.

Trotzdem kämpfe ich noch eine ganze Weile gegen die irrationalen Ängste, während ich einen Fuß nach dem anderen hinter Ingrid setze. Der liebe Gott scheint mir Ingrid geschenkt zu haben, damit ich ihr auf dem „Weg in die Gegenwart“ folgen kann. Und die jedenfalls versucht gerade, mir alle bösen Gedanken auszupeitschen. Mir fällt das Vaterunser ein und zum ersten Mal versuche ich, es zu interpretieren. „…sondern befreie uns vor dem Bösen…“. Befreie mich von den quälenden Gedanken, die ich so oft in meinem Leben gehabt habe. „Führe mich nicht in Versuchung“… ständig Angst zu haben!

Es ist klar, dass sich sogleich bei „Dein Wille geschehe“ die „Himmelspforten“ öffnen und der Regen nun stärker wird. Der Wind bläht sich zu einem richtigen Sturm auf. Die Temperaturen fallen schlagartig bis auf 6 Grad in den Keller und die Trampelpfade verwandeln sich in kleine Sturzbäche. Ist es nun das, was ich gebetet oder wenigstens gedacht habe? Will mir Gott so sein Reich zeigen? Oder will er mir mit aller Gewalt meine Gedanken an Zukunft und Vergangenheit nehmen, um mich endlich einmal „hier“ zu Recht zu finden?

Also gut, dann lass es mal regnen.

Umso fröhlicher ist Ingrid. Auch wenn sie selbst von sich sagt, weder auf diesem, noch auf einem früheren Jakobsweg so ein Wetter jemals erlebt zu haben. Ich helfe ihr dabei, ihren grünen Regenponcho anzuziehen. Allein ist das bei dem Sturm gar nicht mehr möglich. Der Sturm bläst ihren Umhang sofort zu einem Ballon auf. Bei diesem Anblick muss ich wieder lachen. Zu komisch sieht das nun aus. Erst mit Schnur und Gürtel bringe ich Ingrid dann ein wenig in Form. Diese Szene gerade wäre filmreif gewesen und auf YouTube hätte sich wohl jeder totgelacht.

Ich selbst habe auch einen Poncho, wenn gleich nur in Form eines noch nie benutzten Werbegeschenks einer großkotzigen Investmentgesellschaft. Ingrid ist schon gespannt darauf, diesen Wunderponcho zu sehen, der da in einer sehr sehr kleinen, mit 3 Buchstaben beschrifteten Tüte eingeschweißt ist.

Als der Poncho das erste Mal in seinem Leben das Licht der Welt erblickt, sind seine Stunden bereits angezählt. Er gleicht einem dünnen, blauen Müllsack, der sofort zerreißen wird und seinen Müll umgehend fallen lassen wird. Nun fühle ich mich selbst als dieser Müll, der in diesen hässlichen Investment-Sack steckt. Aber es wird nicht von langer Dauer sein. Da bin ich mir sicher! Zu zweit versuchen wir, wenigstens ein bisschen Regenschutz zu realisieren.

Für den Poncho werden keine besseren Zeiten mehr kommen. Er wird den nächsten Glockenschlag der Wallstreet nicht mehr erleben.

Noch in Gedanken versunken, verschwindet Ingrid schon wieder aus meinem durch Plastik eingeengten Gesichtsfeld. Sie ist einfach wieder weiter gegangen. Wie ein Chronometer.

Ich glaube es kaum, aber das Einholen weniger Hundert Meter dauert fast eine ganze Stunde. Schon von weitem höre ich, dass Ingrid mir noch immer fortwährend Geschichten erzählt. Sie hat gar nicht mitbekommen, dass ich eine Stunde lang nicht mehr in Empfangsreichweite war.

Unter den wenigen geschützten Stellen, die mir der Poncho noch bietet, schwitzte ich extrem unangenehm. Ich bin froh, als sich der Regen wieder legt und ich auch ohne Poncho gehen kann.

Abgesehen von einem Wolken verhangenen Himmel gefällt mir die Landschaft unglaublich gut. So gut, dass meine Sinne wieder damit beginnen, all die schönen Motive in sich einzusaugen. Das gibt mir neue ungeahnte Kräfte.

Keine Angst vor dem Höhenprofil

Nach etwa 13 Kilometern und einem Bergauf Bergab zwischen Null und 300 Höhenmetern erreichen wir an der Mündung des Flüsschens Oria das Fischerdörfchen Orio mit dem bezaubernden mittelalterlichen Kern „Goiko Kale“. Die Höhenmeter sind gar nicht so schlimm, denke ich mir nun, weil mir der Weg leicht gefallen ist. Wenn man sich jedoch das in der Länge gestauchte Höhenprofil im Reiseführer ansieht, erschrickt man unweigerlich vor den spitzen und hohen Flanken, die dort natürlich „gestaucht“ abgebildet werden. Aber alles halb so schlimm.

Weiter geht es über Zarautz, was Kitsurfern ein Begriff sein könnte, in Richtung Zumaia, wo wir um die Mittagszeit herum den malerischen Fischerort Getaria mit seiner vorgelagerten Halbinsel erreichen. Rings herum soll es richtig gute Weingüter geben. Mal sehen, ob da am heutigen Abend ein Wein aus Getaria aufzutreiben ist.

Getaria hat eine uralte gotische Kirche, die mich sofort in ihren Bann zieht. Da muss ein kurzer Abstecher drin sein! Nichts wie hin.

Nach dem Öffnen der schweren Kirchenpforten tut sich eine kuriose Kulisse auf. Der Kirchenboden fällt gleich um mehrere Grad ab und ist total abschüssig.

Hier muss es Gott schwindlig werden!

Er ist alles windschief. So etwas Schräges habe ich noch nicht gesehen.

Und es ist so feuchtkalt, dass man jeden Atemhauch sehen kann. Kein weiterer Besucher ist zugegen. Außer vielleicht Gott. Der Widerhall im eisigen und menschenleeren Kirchenschiff ist gespenstisch. Ingrid und ich gehen respektvoll auf Abstand. Ich nehme meinen Rucksack ab und knie mich in der hintersten Reihe mit gefalteten Händen hin. Ist Gott in dieser klammen Umgebung nun bei mir? Auch Ingrid hat sich nun niedergekniet, ganz vorne links. Es heißt ja, „wenn zwei oder drei in deinem Namen versammelt sind, dann bin ich mitten unter euch“. Zwei sind wir, aber wo ist Gott? Kann ich ihn hier sehen? Wird er sich hier irgendwie offenbaren? Vorerst bleibt es bei meinem zaghaften zweiten Kirchenbesuch am Jakobsweg und ich bin Gott nicht wirklich böse, dass er nicht Hallo gesagt hat. Vielleicht hat er mich einfach ganz still beobachtet und kommt dann, wenn ich ihn wirklich brauche.

Direkt vor der Basilika grillt ein baskischer Koch fangfrischen Fisch am offenen Feuer vor den Türen seines Restaurants. Der stolze Preis würde jedoch den selbst auferlegten Rahmen meines Pilgerdaseins sprengen. Und so bleibt es beim Zusehen ohne Antasten, beim Reden und beim Riechen. Mehr ist nicht drin. Für Ingrid und mich gibt es wenig später ein Stück feucht gewordenes Weißbrot mit Salami. Das allerdings passt jetzt zum Pilgerdasein und schmeckt einfach fantastisch.

Das Wechselwetter setzt sich noch fort bis nach Zumaia. Schon von weitem bäumt sich eine schlicht überwältigende Klippenkulisse vor mir auf. So stelle ich mir wieder Cornwall vor, dass ich leider nur aus Rosamunde-Pilcher-Filmen kenne und zu denen ich mich soeben geoutet habe.

Ein landschaftlicher Höhepunkt ist das, was nun vor mir liegt. Leider im wahrsten Sinne des Wortes „Höhe“. Ganz da oben auf den Hügeln muss die Herberge Santa Klara liegen. Der Name gefällt mir.

Was mache ich eigentlich hier? Bin ich wirklich weg von zu Hause? Habe ich nun alles hinter mir gelassen? Ich weiß es nicht mehr. Mit jedem Schritt werde ich müder und verliere den Bezug zu allem, was mich bisher umgeben hat. Nicht dass ich meine Reise schon jetzt in Frage stellen würde. Aber beim Hinterhergehen überfällt mich nun eine richtig schwermütige Stimmung. Es geht nun nicht mehr darum, irgendwelche Briefe in der Arbeit zu schreiben und deren Folgen zu bedenken. Es geht irgendwie um Nichts. Ich gehe einfach vor mich hin.

Schritt für Schritt fallen mir Wörter ein wie „allein, unwichtig, unbeholfen, sinnlos, klein und winzig“.

Trotzdem ist da etwas in mir, was mich antreibt. Auch wenn es den Sinn noch gar nicht erkennt. Vielleicht braucht dieser innere Antrieb auch gar keinen Sinn. Er funktioniert einfach!

Oh Gott, wie weit ist es noch? Im Reiseführer, den ich im Gehen aufblättere, ist ein sommerliches Strandfoto von dieser Gegend abgebildet. Doch mir ist kalt. Alles ist grau in grau. Endlich sehe ich hinter einer Kurve Zumaia. Und nein, bis dahin ist es noch eine Ewigkeit.

Entmutigt stapfe ich dann im Schlepptau von Ingrid doch noch in Zumaia ein. Ohne Rast und ohne einen Blick für das Schöne ziehen wir durch Zumaia hindurch. Zur Herberge ist es noch eine kleine Bergtour.

Jetzt, wo ich so müde und so erschöpft bin, sind Zweihundert Höhenmeter eine echte Hürde. Ich kämpfe bereits mit ersten Anzeichen von Krämpfen. Jede Steinmauer und jeden Zaunpfahl nutze ich wie ein alter Mann, um mich aufzustützen. Ingrid ist längst mit ihren großen Schritten dahin. Trotzdem:

Der Gipfel kommt näher.

Und nun ist mein Hirn so leer, dass ich wie ein Automat dahin wanke. Nicht elegant, nicht ergonomisch. Sondern bemitleidenswert. Ingrid ist sicher längst schon in der Herberge.

Hätte mich nicht ein Einheimischer darauf Aufmerksam gemacht, dass ich an der Herberge schon vorbei gelaufen bin, hätte ich nicht geglaubt, was ich da sehe: Santa Klara liegt direkt vor meinen Augen! Am höchsten Punkt. Ein Punkt, so schön, dass man auch ohne weiteres Schloss Neuschwanstein darauf hätte erbauen können!

Völlig ausgelaugt halte ich mich an einem Zaunpfahl fest und starre benommen auf das, was da vor mir liegt.

Die Wolken haben der Sonne ein paar Löcher frei gemacht, wo sie in sichtbaren Lichtstrahlen einzelne Punkte am Ozean erhellt. So eine eigenartige Mischung aus blauem und gelbem Licht habe ich noch nie erlebt.

Es scheint keine Zwischenfarbe zu geben. All das, was sich gerade vor meinen Augen abspielt, scheint mein Inneres widerzuspiegeln. Es ist eine seltsame Mischung aus Zerrissenheit und einkehrender Ruhe. Eine Mischung aus „Gelb und Blau“.

Die Häuser unter mir sind klein geworden.

Der Blick nach „draußen“ auf das offene Meer ist unruhig aber schier unendlich. Wie im Zeitraffer ziehen die Wolken umher und schaffen jede Sekunde eine neue Atmosphäre. Nichts davon kann ich festhalten. Es ist der Augenblick, den ich gebannt in seinem Lauf verfolge.

Ich lasse den Fotoapparat in meiner Tasche. Das, was ich hier gerade erlebe, werde ich nie im Leben auf einem Foto festhalten oder gar zurückholen können. Er macht mich melancholisch, dieser Augenblick, dem ich mit meinen bisherigen Verhaltensweisen nun überhaupt nicht gewachsen bin.

Es ist schön, doch ich kann nicht jubeln. Mir verstummt meine Stimme. Und ich fühle, dass eine Veränderung mit mir begonnen hat. Eine Veränderung, die weh tut.

Bestimmt hat auch Christoph Kolumbus einst bei einem solchen Anblick das Fernweh gepackt. Doch hat er wirklich nur den westlichen Seeweg von Europa nach Ostasien gesucht, oder war er eine unruhige Seele auf der Suche nach sich selbst?

Die Herberge Santa Klara wartet nun aber auf mich!

So schön kann eine Herberge sein: Zwei sehr gepflegte Häuser. Eines davon ganz frisch renoviert. Ringsherum eingefasst von bestem Naturstein.

Der kolossale Rundblick von 360 Grad fesselt mich sofort. Unter mir liegt zwei Kilometer entfernt Zumaia. Dazwischen sind grüne, alpin geneigte Felder.

Zum Atlantik hinaus markieren schroff abfallende und mit hellgrünem Gras bewachsene Felskegel das Heimatland des Seefahrers Juan Sebastián Elcano, der die erste Weltumsegelung seines uns geläufigeren Kommandanten Ferdinand Magellan erfolgreich beendet hat. Letzterer ist auf den Philippinen beim Versuch der gewaltsamen Missionierung durch einen vergifteten Pfeil gestorben. [4]

Nein, ich werde hier niemanden missionieren! Es genügt mir voll und ganz, wenn ich mich selbst finde.

Noch heute werden die Felsklippen wie anno dazumal umspült von der ungezähmten Kraft des Atlantiks. So ungefähr muss das Paradies schon immer ausgesehen haben. Und hier mit dem Blick auf das atlantische Dorado habe ich jetzt meine zweite Schlafstätte gefunden.

Traumhaftes Santa Klara

Doch damit nicht genug. Ich traue meinen Augen nicht, wie extravagant ich da übernachten kann. Das schicke Steinhaus ist luxuriös ausgestattet. Edelste Küchenarmaturen und freigelegtes altes Mauerwerk. Dazu edles dunkles Holz, eine offene Küche mit Esszimmer, kleine Zimmer mit je zwei Stockbetten, sowie ein piekfeines Bad, mit Naturstein und Marmor. Und das für mich als verschwitzen Pilger. Einfach unglaublich.

Hier könnte man einen Luxusurlaub mit der eigenen Familie und zwei weiteren Familien verbringen.

Doch zunächst zieht es mich noch einmal in das Freie. Ich mache mir zwei Skizzen, aus denen ich zu Hause dann zwei Ölgemälde fertigen möchte. Die Stimmung ist immer noch überwältigend, obwohl das Licht schon schwächer geworden ist. Über dem Meer liegen ganz niedrig noch die dunklen Regenwolken. In der Ferne sieht man auf dem Ozean zwei Stellen, wo es stark zu regnen scheint. Die letzten Sonnenstrahlen tauchen die Gegend noch immer in das merkwürdige gelb-blaue Licht. Gelb und Blau, Licht und Schatten, Sturm und Windstille spiegeln sich auch noch immer in meinem zerrissenen Seelenleben wider. Ich bin erschöpft und eigenartig frisch zugleich.

Doch nun fasse ich den Entschluss, noch Spagetti, Tomaten, Zwiebeln, Salat und einen Wein aus Getaria im kleinen Zentrum von Zumaia zu besorgen. Die einmalige Kochgelegenheit will ich auf gar keinen Fall verstreichen lassen und beim Kochen kann ich gut entspannen. So macht es auch gar nichts aus, dass es an Kleinigkeiten wie Essig oder Salz gefehlt hat. Umso mehr gilt:


    Christian Seebauer am Jakobsweg

    Ich freue mich, wenn Du mein Buch direkt bei mir bestellen möchtest! Gerne mit persönlicher handschriftlicher Widmung. Handsigniert. Optimal als Geschenk.

    Jakobsweg an der Küste
    Christian Seebauer: BURNOUT | Jakobsweg an der Küste 19,90 €Bewertung f�r das Buch

    Christian Seebauer: Israel Trail mit Herz. Details ->
    Buch zum Israel National Trail, Christian Seebauer, SCM
    Israel Trail mit Herz Bewertung 5 Sterne19,95 €

    Shvil Israel, Vorteilshaekchen Versandkostenfrei [D]

    Shvil Israel, Vorteilshaekchen Handsigniert

    Shvil Israel, Vorteilshaekchen pers. Widmung

    Was andere sagen ->

    Shvil Israel, Vorteilshaekchen
    Jakobsweg Poster DIN A2 gefaltet. 4,90€. Erlös 100% an gemeinnützige Umwelt- oder Pilgergesellschaft


    Textauszug BURNOUT: Eine Wanderung auf schamlem Grat. Jakobsweg an der Kste San Sebastián – Zumaia San Sebastián - Zumaia Tag 2: 31 km, ca. 1.150 Höhenmeter, über Orio, Zarautz, Getaria. Gleich nach einem Schluck Pulverkaffee, den mir eine junge Pilgerin aus Chile spendiert, breche ich im Morgengrauen auf. Die Betonung liegt nicht auf „Morgen“, sondern auf „Grauen“. Es regnet leicht und stürmt kräftig. Alles ist grau in grau. Würde man einen depressiven Menschen hier ganz allein aussetzen, dann wäre das gar nicht gut. Gleich auf den ersten Metern hänge ich mich an Ingrid. Sie scheint alles schon zu kennen und läuft zielgenau vor mir her. Und mein Eindruck täuscht mich nicht. Ingrid ist sage und schreibe 69 Jahre alt und bereits seit Eibelstadt/ Würzburg zu Fuß hierher unterwegs! Wahnsinn. Über 2.000 Kilometer zu Fuß in guten zwei Monaten. Für mich einfach unvorstellbar. Ihre fröhlichen und leuchtenden Augen verraten ihr Alter definitiv nicht. Sie könnte ganz locker 10 Jahre jünger sein. Ingrid ist relativ groß, drahtig und hat halblange grau-blonde Haare. Ihr Pilgerstock überragt sie ein wenig. Ich schätze ihn so auf meine eigene Größe, ca. 184. Wie ein Uhrwerk Ingrid geht so gleichmäßig wie ein Uhrwerk. Ich spüre, dass sie ein unerschütterlicher Glaube begleitet. Dieses Gefühl ist unbeschreiblich, denn so viel weiß ich noch gar nicht über sie. Bergab und geradeaus kann ich ihr ohne Mühe folgen. Aber bergauf hat sie immer das gleiche, für mich unmenschliche Tempo drauf. Allem Überfluss zum Trotz scheinen Ingrid die Etappen bergauf sogar besonders leicht zu fallen. Sie fängt immer bergauf an, ohne jede Atempause mit mir zu plaudern. Außer einem atemlosen und äußerst knappen „ja, aha, ach“, bin ich nicht mehr im Stande, an einem Gespräch aktiv teil zu nehmen. Dafür sitzt die Pumpe, die meinen Puls antreibt scheinbar irgendwo zwischen den Ohren und meiner Stirn. Dummerweise geht mir genau jetzt am steilsten Stück das linke Schuhband auf. Dieses habe ich doch extra mit einem Zigfach-Knoten gebunden. Beim Bücken sehe ich dann wie gestern Sternchen vor meinen Augen. Blutdruck lass nach! Beim hastigen Trinken aus meiner Plastikflasche verschlucke ich mich schon wieder so heftig, dass ich hustend und rot angelaufen vermutlich wie ein Notfallpatient aussehe. Das verschafft mir wenigstens eine kurze Verschnaufpause, die Ingrid mir aus Mitleid gönnt. Sie ist ja im Berufsleben Krankenschwester gewesen. Fortan höre ich zur Strafe eine schaurige Krankengeschichte nach der anderen (natürlich anonym). Und keiner dieser Leidenswege geht wirklich gut aus. Tod und Elend mischt sich in meiner Fantasie zu einer grauenvollen Mischung aus Hilflosigkeit, Ablehnung und Abscheu. Das ist doch mal wieder etwas Handfestes für meine „Regenwolke“! So nenne ich ab nun mein pessimistisches Hirnareal, welches mir meine halbe Vergangenheit versaut hat. Aha, immerhin ist das eine wertvolle Erkenntnis, die mir da gerade gekommen ist. Meine „Regenwolke“ Toll. Hier kann meine „Regenwolke“ wieder aktiv werden. Sich austoben. Das ihr Metier. Abrupt meldet sich auch schon mein Schmerzempfinden. Sicher ist sie, die „Regenwolke“, daran schuld. Natürlich beginne ich sofort wieder, in meinen Körper hinein zu horchen, was alles natürlich nur viel schlimmer macht. Und es sind nicht die Schierlinge, die mich heute in mich hineinhorchen lassen! Es ist die Geschichte eines Pilgers, der hier mit einem Herzinfarkt zusammen gebrochen ist. Nein, so etwas passiert mir nicht. Doch plötzlich geht es mir tatsächlich schlecht. Ist mit meinem Herzen noch alles o.k.? Schlägt es noch? Was für eine unsinnige Frage. Würde mein Herz nicht mehr schlagen, könnte ich mir diese Frage im Augenblick ja gar nicht mehr stellen. Trotzdem wandert meine rechte Hand zum linken Brustkorb und überprüft den Herzschlag. Wie verrückt. So etwas hatte ich schon einmal vor langer Zeit. Und es hat mich dann auch sehr lange begleitet. Doch heute möchte ich mir darüber keine Gedanken machen. Ich zwinge mich dazu, meine Ängste loszulassen und Ingrid zu folgen. Und es tut gut, zu wissen, dass sie Krankenschwester war. Trotzdem kämpfe ich noch eine ganze Weile gegen die irrationalen Ängste, während ich einen Fuß nach dem anderen hinter Ingrid setze. Der liebe Gott scheint mir Ingrid geschenkt zu haben, damit ich ihr auf dem „Weg in die Gegenwart“ folgen kann. Und die jedenfalls versucht gerade, mir alle bösen Gedanken auszupeitschen. Mir fällt das Vaterunser ein und zum ersten Mal versuche ich, es zu interpretieren. „...sondern befreie uns vor dem Bösen...“. Befreie mich von den quälenden Gedanken, die ich so oft in meinem Leben gehabt habe. „Führe mich nicht in Versuchung“... ständig Angst zu haben! Es ist klar, dass sich sogleich bei „Dein Wille geschehe“ die „Himmelspforten“ öffnen und der Regen nun stärker wird. Der Wind bläht sich zu einem richtigen Sturm auf. Die Temperaturen fallen schlagartig bis auf 6 Grad in den Keller und die Trampelpfade verwandeln sich in kleine Sturzbäche. Ist es nun das, was ich gebetet oder wenigstens gedacht habe? Will mir Gott so sein Reich zeigen? Oder will er mir mit aller Gewalt meine Gedanken an Zukunft und Vergangenheit nehmen, um mich endlich einmal „hier“ zu Recht zu finden? Also gut, dann lass es mal regnen. Umso fröhlicher ist Ingrid. Auch wenn sie selbst von sich sagt, weder auf diesem, noch auf einem früheren Jakobsweg so ein Wetter jemals erlebt zu haben. Ich helfe ihr dabei, ihren grünen Regenponcho anzuziehen. Allein ist das bei dem Sturm gar nicht mehr möglich. Der Sturm bläst ihren Umhang sofort zu einem Ballon auf. Bei diesem Anblick muss ich wieder lachen. Zu komisch sieht das nun aus. Erst mit Schnur und Gürtel bringe ich Ingrid dann ein wenig in Form. Diese Szene gerade wäre filmreif gewesen und auf YouTube hätte sich wohl jeder totgelacht. Ich selbst habe auch einen Poncho, wenn gleich nur in Form eines noch nie benutzten Werbegeschenks einer großkotzigen Investmentgesellschaft. Ingrid ist schon gespannt darauf, diesen Wunderponcho zu sehen, der da in einer sehr sehr kleinen, mit 3 Buchstaben beschrifteten Tüte eingeschweißt ist. Als der Poncho das erste Mal in seinem Leben das Licht der Welt erblickt, sind seine Stunden bereits angezählt. Er gleicht einem dünnen, blauen Müllsack, der sofort zerreißen wird und seinen Müll umgehend fallen lassen wird. Nun fühle ich mich selbst als dieser Müll, der in diesen hässlichen Investment-Sack steckt. Aber es wird nicht von langer Dauer sein. Da bin ich mir sicher! Zu zweit versuchen wir, wenigstens ein bisschen Regenschutz zu realisieren. Für den Poncho werden keine besseren Zeiten mehr kommen. Er wird den nächsten Glockenschlag der Wallstreet nicht mehr erleben. Noch in Gedanken versunken, verschwindet Ingrid schon wieder aus meinem durch Plastik eingeengten Gesichtsfeld. Sie ist einfach wieder weiter gegangen. Wie ein Chronometer. Ich glaube es kaum, aber das Einholen weniger Hundert Meter dauert fast eine ganze Stunde. Schon von weitem höre ich, dass Ingrid mir noch immer fortwährend Geschichten erzählt. Sie hat gar nicht mitbekommen, dass ich eine Stunde lang nicht mehr in Empfangsreichweite war. Unter den wenigen geschützten Stellen, die mir der Poncho noch bietet, schwitzte ich extrem unangenehm. Ich bin froh, als sich der Regen wieder legt und ich auch ohne Poncho gehen kann. Abgesehen von einem Wolken verhangenen Himmel gefällt mir die Landschaft unglaublich gut. So gut, dass meine Sinne wieder damit beginnen, all die schönen Motive in sich einzusaugen. Das gibt mir neue ungeahnte Kräfte. Keine Angst vor dem Höhenprofil Nach etwa 13 Kilometern und einem Bergauf Bergab zwischen Null und 300 Höhenmetern erreichen wir an der Mündung des Flüsschens Oria das Fischerdörfchen Orio mit dem bezaubernden mittelalterlichen Kern „Goiko Kale“. Die Höhenmeter sind gar nicht so schlimm, denke ich mir nun, weil mir der Weg leicht gefallen ist. Wenn man sich jedoch das in der Länge gestauchte Höhenprofil im Reiseführer ansieht, erschrickt man unweigerlich vor den spitzen und hohen Flanken, die dort natürlich „gestaucht“ abgebildet werden. Aber alles halb so schlimm. Weiter geht es über Zarautz, was Kitsurfern ein Begriff sein könnte, in Richtung Zumaia, wo wir um die Mittagszeit herum den malerischen Fischerort Getaria mit seiner vorgelagerten Halbinsel erreichen. Rings herum soll es richtig gute Weingüter geben. Mal sehen, ob da am heutigen Abend ein Wein aus Getaria aufzutreiben ist. Getaria hat eine uralte gotische Kirche, die mich sofort in ihren Bann zieht. Da muss ein kurzer Abstecher drin sein! Nichts wie hin. Nach dem Öffnen der schweren Kirchenpforten tut sich eine kuriose Kulisse auf. Der Kirchenboden fällt gleich um mehrere Grad ab und ist total abschüssig. Hier muss es Gott schwindlig werden! Er ist alles windschief. So etwas Schräges habe ich noch nicht gesehen. Und es ist so feuchtkalt, dass man jeden Atemhauch sehen kann. Kein weiterer Besucher ist zugegen. Außer vielleicht Gott. Der Widerhall im eisigen und menschenleeren Kirchenschiff ist gespenstisch. Ingrid und ich gehen respektvoll auf Abstand. Ich nehme meinen Rucksack ab und knie mich in der hintersten Reihe mit gefalteten Händen hin. Ist Gott in dieser klammen Umgebung nun bei mir? Auch Ingrid hat sich nun niedergekniet, ganz vorne links. Es heißt ja, „wenn zwei oder drei in deinem Namen versammelt sind, dann bin ich mitten unter euch“. Zwei sind wir, aber wo ist Gott? Kann ich ihn hier sehen? Wird er sich hier irgendwie offenbaren? Vorerst bleibt es bei meinem zaghaften zweiten Kirchenbesuch am Jakobsweg und ich bin Gott nicht wirklich böse, dass er nicht Hallo gesagt hat. Vielleicht hat er mich einfach ganz still beobachtet und kommt dann, wenn ich ihn wirklich brauche. Direkt vor der Basilika grillt ein baskischer Koch fangfrischen Fisch am offenen Feuer vor den Türen seines Restaurants. Der stolze Preis würde jedoch den selbst auferlegten Rahmen meines Pilgerdaseins sprengen. Und so bleibt es beim Zusehen ohne Antasten, beim Reden und beim Riechen. Mehr ist nicht drin. Für Ingrid und mich gibt es wenig später ein Stück feucht gewordenes Weißbrot mit Salami. Das allerdings passt jetzt zum Pilgerdasein und schmeckt einfach fantastisch. Das Wechselwetter setzt sich noch fort bis nach Zumaia. Schon von weitem bäumt sich eine schlicht überwältigende Klippenkulisse vor mir auf. So stelle ich mir wieder Cornwall vor, dass ich leider nur aus Rosamunde-Pilcher-Filmen kenne und zu denen ich mich soeben geoutet habe. Ein landschaftlicher Höhepunkt ist das, was nun vor mir liegt. Leider im wahrsten Sinne des Wortes „Höhe“. Ganz da oben auf den Hügeln muss die Herberge Santa Klara liegen. Der Name gefällt mir. Was mache ich eigentlich hier? Bin ich wirklich weg von zu Hause? Habe ich nun alles hinter mir gelassen? Ich weiß es nicht mehr. Mit jedem Schritt werde ich müder und verliere den Bezug zu allem, was mich bisher umgeben hat. Nicht dass ich meine Reise schon jetzt in Frage stellen würde. Aber beim Hinterhergehen überfällt mich nun eine richtig schwermütige Stimmung. Es geht nun nicht mehr darum, irgendwelche Briefe in der Arbeit zu schreiben und deren Folgen zu bedenken. Es geht irgendwie um Nichts. Ich gehe einfach vor mich hin. Schritt für Schritt fallen mir Wörter ein wie „allein, unwichtig, unbeholfen, sinnlos, klein und winzig“. Trotzdem ist da etwas in mir, was mich antreibt. Auch wenn es den Sinn noch gar nicht erkennt. Vielleicht braucht dieser innere Antrieb auch gar keinen Sinn. Er funktioniert einfach! Oh Gott, wie weit ist es noch? Im Reiseführer, den ich im Gehen aufblättere, ist ein sommerliches Strandfoto von dieser Gegend abgebildet. Doch mir ist kalt. Alles ist grau in grau. Endlich sehe ich hinter einer Kurve Zumaia. Und nein, bis dahin ist es noch eine Ewigkeit. Entmutigt stapfe ich dann im Schlepptau von Ingrid doch noch in Zumaia ein. Ohne Rast und ohne einen Blick für das Schöne ziehen wir durch Zumaia hindurch. Zur Herberge ist es noch eine kleine Bergtour. Jetzt, wo ich so müde und so erschöpft bin, sind Zweihundert Höhenmeter eine echte Hürde. Ich kämpfe bereits mit ersten Anzeichen von Krämpfen. Jede Steinmauer und jeden Zaunpfahl nutze ich wie ein alter Mann, um mich aufzustützen. Ingrid ist längst mit ihren großen Schritten dahin. Trotzdem: Der Gipfel kommt näher. Und nun ist mein Hirn so leer, dass ich wie ein Automat dahin wanke. Nicht elegant, nicht ergonomisch. Sondern bemitleidenswert. Ingrid ist sicher längst schon in der Herberge. Hätte mich nicht ein Einheimischer darauf Aufmerksam gemacht, dass ich an der Herberge schon vorbei gelaufen bin, hätte ich nicht geglaubt, was ich da sehe: Santa Klara liegt direkt vor meinen Augen! Am höchsten Punkt. Ein Punkt, so schön, dass man auch ohne weiteres Schloss Neuschwanstein darauf hätte erbauen können! Völlig ausgelaugt halte ich mich an einem Zaunpfahl fest und starre benommen auf das, was da vor mir liegt. Die Wolken haben der Sonne ein paar Löcher frei gemacht, wo sie in sichtbaren Lichtstrahlen einzelne Punkte am Ozean erhellt. So eine eigenartige Mischung aus blauem und gelbem Licht habe ich noch nie erlebt. Es scheint keine Zwischenfarbe zu geben. All das, was sich gerade vor meinen Augen abspielt, scheint mein Inneres widerzuspiegeln. Es ist eine seltsame Mischung aus Zerrissenheit und einkehrender Ruhe. Eine Mischung aus „Gelb und Blau“. Die Häuser unter mir sind klein geworden. Der Blick nach „draußen“ auf das offene Meer ist unruhig aber schier unendlich. Wie im Zeitraffer ziehen die Wolken umher und schaffen jede Sekunde eine neue Atmosphäre. Nichts davon kann ich festhalten. Es ist der Augenblick, den ich gebannt in seinem Lauf verfolge. Ich lasse den Fotoapparat in meiner Tasche. Das, was ich hier gerade erlebe, werde ich nie im Leben auf einem Foto festhalten oder gar zurückholen können. Er macht mich melancholisch, dieser Augenblick, dem ich mit meinen bisherigen Verhaltensweisen nun überhaupt nicht gewachsen bin. Es ist schön, doch ich kann nicht jubeln. Mir verstummt meine Stimme. Und ich fühle, dass eine Veränderung mit mir begonnen hat. Eine Veränderung, die weh tut. Bestimmt hat auch Christoph Kolumbus einst bei einem solchen Anblick das Fernweh gepackt. Doch hat er wirklich nur den westlichen Seeweg von Europa nach Ostasien gesucht, oder war er eine unruhige Seele auf der Suche nach sich selbst? Die Herberge Santa Klara wartet nun aber auf mich! So schön kann eine Herberge sein: Zwei sehr gepflegte Häuser. Eines davon ganz frisch renoviert. Ringsherum eingefasst von bestem Naturstein. Der kolossale Rundblick von 360 Grad fesselt mich sofort. Unter mir liegt zwei Kilometer entfernt Zumaia. Dazwischen sind grüne, alpin geneigte Felder. Zum Atlantik hinaus markieren schroff abfallende und mit hellgrünem Gras bewachsene Felskegel das Heimatland des Seefahrers Juan Sebastián Elcano, der die erste Weltumsegelung seines uns geläufigeren Kommandanten Ferdinand Magellan erfolgreich beendet hat. Letzterer ist auf den Philippinen beim Versuch der gewaltsamen Missionierung durch einen vergifteten Pfeil gestorben. [4] Nein, ich werde hier niemanden missionieren! Es genügt mir voll und ganz, wenn ich mich selbst finde. Noch heute werden die Felsklippen wie anno dazumal umspült von der ungezähmten Kraft des Atlantiks. So ungefähr muss das Paradies schon immer ausgesehen haben. Und hier mit dem Blick auf das atlantische Dorado habe ich jetzt meine zweite Schlafstätte gefunden. Traumhaftes Santa Klara Doch damit nicht genug. Ich traue meinen Augen nicht, wie extravagant ich da übernachten kann. Das schicke Steinhaus ist luxuriös ausgestattet. Edelste Küchenarmaturen und freigelegtes altes Mauerwerk. Dazu edles dunkles Holz, eine offene Küche mit Esszimmer, kleine Zimmer mit je zwei Stockbetten, sowie ein piekfeines Bad, mit Naturstein und Marmor. Und das für mich als verschwitzen Pilger. Einfach unglaublich. Hier könnte man einen Luxusurlaub mit der eigenen Familie und zwei weiteren Familien verbringen. Doch zunächst zieht es mich noch einmal in das Freie. Ich mache mir zwei Skizzen, aus denen ich zu Hause dann zwei Ölgemälde fertigen möchte. Die Stimmung ist immer noch überwältigend, obwohl das Licht schon schwächer geworden ist. Über dem Meer liegen ganz niedrig noch die dunklen Regenwolken. In der Ferne sieht man auf dem Ozean zwei Stellen, wo es stark zu regnen scheint. Die letzten Sonnenstrahlen tauchen die Gegend noch immer in das merkwürdige gelb-blaue Licht. Gelb und Blau, Licht und Schatten, Sturm und Windstille spiegeln sich auch noch immer in meinem zerrissenen Seelenleben wider. Ich bin erschöpft und eigenartig frisch zugleich. Doch nun fasse ich den Entschluss, noch Spagetti, Tomaten, Zwiebeln, Salat und einen Wein aus Getaria im kleinen Zentrum von Zumaia zu besorgen. Die einmalige Kochgelegenheit will ich auf gar keinen Fall verstreichen lassen und beim Kochen kann ich gut entspannen. So macht es auch gar nichts aus, dass es an Kleinigkeiten wie Essig oder Salz gefehlt hat. Umso mehr gilt: Camino de la Costa/ Jakobsweg an der Kste H1 Inhaltsverzeichnis San Sebastián – Zumaia Array ( ) Inhalt H2 zum Camino de la Costa/ Jakobsweg an der Küste, Küstenweg Array ( ) Jakobsweg an der Küste, Burnout, Inhaltsverzeichnis H3 Array ( ) 1313Inhalt aus dem Buch BURNOUT: Eine Reise auf schmalem Grat , Jakobsweg an der Kueste und additive Fotos hier auf der Jakobsweg-Webseite (Fotos im Buch nicht enthalten)
    1414
    Fotos zum Camino de la Costa/ Jakobsweg an der Kueste Beitrag Keywords zu diesem Jakobsweg-Beitrag:

    Camino de la Costa, Camino del Norte